10. Juni 2013

Was die Kinder wohl denken

Ich habe ja hier schon erwähnt, dass ich die Einsicht, dass die Kinder mein wichtigstes Publikum sind, phänomenal finde. Eine Sicht, die mir wirklich lange aus unterschiedlichsten Gründen versperrt war. 

Eigentlich weiß ich das, eigentlich ist es völlig klar: Ich möchte ein gutes Verhältnis mit meinen Kindern, ich möchte ihnen eine Mutter sein, der sie vertrauen können und auf die sie bauen können. Sie müssen nicht alles cool finden, was ich so mache (äähm, ja, das wäre in der Tat sehr viel verlangt), aber ich möchte, dass sie mich als Person sehen. Ich möchte nicht, dass sie in mir immer "nur" Mama sehen, wenn Mama mit Zurechtweisen, Schimpfen, "Was hab ich Dir gesagt?" und "Du hörst mir jetzt zu" verbunden ist. So wie ich dei Kinder auch in ihrer gesamten Persönlichkeit versuche zu sehen, so sollen sie auch die Möglichkeit haben, mich in allen Facetten meiner Persönlichkeit zu sehen.

Eine Facette davon ist Wut und Genervtheit. Was dahinter steckt, können die Kinder nicht wissen und auch ich kann oft nur ahnen, warum es mich gerade so schnell aufregt, wenn eines der Kinder auf dem Tisch trommelt und damit auch nach freundlicher, wiederholter Aufforderung nicht aufhört. Oder wenn eines der Kinder ins Zimmer geht, um sich anzuziehen, bereits ausgestattet mit Unterwäsche und T-Shirt aus dem Noch-nicht-gelegt-Wäschekorb und nach 15 Minuten splitternackt auf dem Teppich sitzt und gebannt dem 536. Durchlauf der aktuellen Lieblings-CD (seiner, nicht meiner!) lauscht.

Kind #2 reagiert meistens sehr gelassen auf mein dann einsetzendes Drängen: "Aaach, Mama, ich mach ja schon...". Gaaaanz langsam halt. Wenn er älter wäre, würde es wahrscheinlich heißen "Mama, chill mal!".

In der oben beschriebenen Situation hat die neue Koala-Mama erstmal nix gesagt. Ich bin erst einmal wieder aus dem Zimmer rausgegangen und habe mich im Bad frisiert, auf die Zeit geguckt und beschlossen, ihn beim Anziehen zu unterstützen. Anschließend haben wir die Kleidungsstücke abwechselnd angezogen, eines er selbst, beim nächsten hab ich wieder geholfen usw.. 
Das ging völlig ruhig und nett vonstatten (die CD lief gerade zu Ende) und am Ende sprang er auf meinen Arm und küsste mich ausgiebig.

Wow, dachte ich. Kopf: Soll ich das jetzt gut finden? So lernt er ja NIE sich zu beeilen und sich selbst anzuziehen. -- Herz: Hach, wie schön. -- Kopf: So kann ich das aber nicht immer machen! -- Herz: Hach! Kopf: Andererseits, mit ein bisschen Unterstützung klappt es ja gleich zu 100%, vielleicht sollte ich die vorerst noch einplanen.

Und genau da bin ich stehen geblieben. Ich bin stolz, dass der Morgen so stressfrei über die Bühne gegangen ist, denn daran hatte ich, wie ich gemerkt habe, großen Anteil. Und ich nehme mir nun vor, das Einfache dem Langwierigen vorzuziehen. Nur so als Maßgabe. Es gibt bestimmte Dinge, die ich von den Kindern verlangen können möchte. Ich habe die Hoffnung, dass sie sich darauf besser einlassen können, wenn ihnen meine Unterstützung ansonsten sicher ist. Sie haben sich in der letzten Zeit auch angewöhnt erst einmal sehr höflich und einfach lieb nach Dingen zu fragen, dazu gehört auch Hilfe. Besonders beim Großen merke ich, wie positiv er es anscheinend annimmt, wenn ich kleine Dinge für ihn erledige (z.B. für ihn ein Glas aus der Küche hole). Wenn er es dann beim nächsten Mal selbst machen soll, fällt ihm das leichter und es gibt weniger Murren. (oder bilde ich mir das nur ein?? Der Langzeit-Test wird's zeigen!).

Und noch einmal zum Thema Publikum: Die Kinder erleben mich ja in vielen unterschiedlichen Situationen, sind eigentlich nur im Job und beim Treffen mit Freunden abends nicht dabei. Sie kennen mich! Sie erleben meine nicht immer qualifizierten Bemerkungen in unterschiedlichen Tonlagen beim Autofahren und sehen mich im Umgang mit den unterschiedlichsten Erwachsenen und Kindern.
Und das Schlimme ist: So, wie ich im Furienmodus zu ihnen bin, bin ich mit niemandem sonst. Das hat mich in den letzten Tagen immer wieder beschäftigt. Ich brülle niemanden, meinen Mann eingenommen, außer ganz ganz zweimal nur, so an und habe so einen demütigenden und herrischen Ton wie bei meinen Kindern. Die Kinder, die ich über alles (!) liebe und die ich unterstützen und stark machen möchte, erleben regelmäßig die mit Abstand gruseligste Seite von mir. Und nicht nur das, ich zeige ihnen deutlich, dass ich WEGEN IHNEN mich so verhalte. Das macht mich wirklich betroffen. 

Andererseits steigert es momentan auch mein gutes Gefühl, es NICHT mehr zu tun. Ich bin stolz auf mich und würde am liebsten jedem erzählen, dass ich auf einer Mission bin und und und.
Ich habe es meiner Schwester erzählt. Punkt. Noch nicht einmal in dieser Deutlichkeit meinem Mann. Der merkt zwar den Unterschied, aber die Mission als Solche kennt er noch nicht.

Ich werde ihn aber auf jeden Fall einweihen, denn ich kann ihn gut als Unterstützung gebrauchen, wenn es mal hart auf hart kommt (und falls er nicht da ist, kann ich ihn ja vielleicht anrufen ... ? ... :))

EDIT @ 23:00h: Dieser Tag war der bisher harmonischste bei uns allen: Mission erfüllt! Ich bin derzeit hochzufrieden und fühle mich richtig gestärkt in meinem Entschluss. Ich hoffe, dass dieses Gefühl laaange anhalten wird, schließlich möchte ich mich nicht enttäuschen. Und die Kinder nicht. Und die Welt dort draußen, die von meiner Mission nichts weiß, natürlich auch nicht!

1 Kommentar:

  1. Das ist eine gute Beschreibung wie das oft so ist und der Zwiespalt den man als Mutter so oft hat! Ich habe zwar "nur" 2 Kinder, aber ich fühle diesen Zwiespalt zwischen Konsequenz und Einfühlung sehr oft. Danke für diesen Post, echt gut das zu lesen! Ich bin mit an Bord :-) :-) :-)
    Lg Dana

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