13. Juni 2013

Der Erstgeborene und wie alles begann

Da ich nun ein wenig Zeit ohne meine Kinder verbringen werde, halte ich den unsichtbaren Zähler für die Tage an, an denen ich meine Kinder gar nicht sehe und daher auch nicht anschreien kann.
Dennoch kreisen meine Gedanken nach wie vor noch viel um das Thema.

Mit Freundinnen, die mehr als ein Kind haben, habe ich schon mehrfach darüber gesprochen, wie schlecht wir uns gegenüber unseren erstgeborenen Kindern manchmal verhalten und wie beschämt wir selbst darüber sind. Quintessenz war dabei stets, dass uns bewusst ist, wie unfair wir gegenüber unseren Großen manchmal sind und wie unzufrieden wir gleichzeitig damit sind.
Uns allen war gemein, dass wir erst mit regelmäßigem Meckern und Schreien angefangen haben, nachdem das zweite Kind da war. Und wir alle finden: Wie ungerecht ist das!?! Was können die Ersten dafür, dass sie kleine Geschwister bekommen? Kein Wunder, dass da Gefühle bei den Kindern zum Vorschein kommen, die wir Erwachsenen gerne als Eifersucht abtun. Einerseits ist uns klar, jaja, sie ist halt eifersüchtig, ist normal, andererseits gestehen wir den Kindern diese Gefühle in letzter Konsequenz nicht zu. Die Eifersucht muss bekämpft werden, sei es durch Zurechtweisungen wie „Stell dich nicht so an“, auch wenn wir es so nicht sagen, oder sei es durch Aktionen, die dem großen Kind zeigen sollen, dass Mama und Papa es natürlich genauso lieb haben, wie das kleine Geschwisterchen.

Aus Elternsicht ist die Genese von den glücklich strahlenden frischgebackenen Honeymooneltern zu stampfenden und schreienden Furien zunächst einfach erklärt. Schlafentzug, stärkere zeitliche Einbindung, Streitereien zwischen den Geschwistern … und schlussendlich konnte unser Großer auch schon sprechen, als das Baby kam. Doch solche Erklärungen blenden völlig aus, dass ich als bereits lange erwachsene Mutter meine Kinder anschreie. Zwar habe ich das Gefühl, dass aus mir ein Muttermonster spricht, das ich eigentlich nicht kenne, aber damit komme ich wohl nicht durch. ICH entscheide über mein Verhalten und ich entscheide auch über den Grad zu dem ich meine Reaktionen und meine Emotionalität kontrolliere. Oder eben auch nicht.

Unser Erstgeborener hat viele sehr unterschiedliche Talente. Wenn man mich vor wenigen Wochen gefragt hätte, welches denn sein bestes sei, hätte ich wahrscheinlich geantwortet:“Seine Fähigkeit mich mit kleinen Dingen rasend zu machen“. Er kann das wie kein zweiter – stoisch anscheinend weghören und sich nicht bewegen, wenn man ihn darum bittet, mit dem Fuß scharren und damit fortfahren, nachdem ich ihm 6 mal bitte, das zu lassen, seinen kleineren Bruder geschickt zergen, auch das mit beachtenswerter Ausdauer … die Liste kann noch beliebig fortgeführt werden.
Die Meckermama spielte bei seinem Spiel immer perfekt mit (wobei ich mir gar nicht so sicher bin, dass hinter all diesen kleinen Nervigkeiten, die die Kinder so machen (und lassen) tatsächlich Intention steckt und diese Intention auch immer etwas mit mir zu tun hat) --- ich bat ihn, ermahnte ihn, bat ihn noch einmal mit erzwungen ruhiger Stimme, die schon das Timbre der folgenden Tiraden erahnen ließ, fügte den Vornamen mahnend mit ein und an einem beliebigen Punkt (je nach Stimmung, Wetter, Tageszeit) klatschte die Hand auf den Tisch (was ehrlich gesagt meistens weh tat) und Meckermama war in ihrem Element. Zu erkennen, dass es sich immer um das gleiche Spiel mit vorhersehbarem Ausgang handelt, reicht leider nicht aus. Man muss auch etwas dagegen tun.

In diesem Fall war es gar nicht so schwierig, wie es in schlauen Ratgebern zum gelassenen Umgang mit Kindern immer steht --- ich habe nicht angefangen, pädagogisch wertvolle Erklärungen und Begründungen zu predigen (Du, Mama mag das nicht und hat Dich doch schon mehrmals gebeten es zu lassen. Ich kann verstehen, dass Du gerne Deinen Bruder kneifen möchtest, aber solch ein Verhalten ist nicht OK, das musst Du lernen ….), sondern einfach weniger reagiert. Weniger heftig und vor allem weniger schnell und dosierter. Und siehe da: Sein Talent der Mamaverärgerung ist nicht versiegt, aber dass ich mich tatsächlich ärgerlich fühle, das passiert nur noch selten.

Das schlechte Gewissen ist bei mir immer dem Großen gegenüber am schlimmsten. Ihn behandle ich im Zweifel ungerechter, packe ihn härter an und reagiere, bzw. überreagiere auch deutlich schneller, als bei den beiden anderen. Das kommt dann zurück, wenn er abends im Bett liegt und schläft und ich mir wünsche, alles ungeschehen machen zu können. Was ist da aus der beschützenden, unterstützenden Mutter geworden?

Jetzt gerade merke ich, wie ich auf einem richtig guten Weg bin mit ihm. Er ist mir umgekehrt auch sehr zugewandt und wir kommen prima klar. Ich kann seine Bedürfnisse besser sehen und erst einmal unbewertet und ungenervt wahrnehmen. An einem der letzten Tage war er sehr nölig und weinerlich, was mich angestrengt hat. Als ich ihn in mitfühlendem (nicht, wie früher meist, genervt-fordernden) Tonfall gefragt habe, was denn los sei, hat er sich angekuschelt und mir erzählt, was ihn an seiner Playmobilausstattung stört. Kein großer Deal? Für ihn schon! Ich musste nachsichtig lächeln und habe einfach genossen, dass er das gegenüber mir äußern konnte, denn damit hat er häufig Probleme.

Als ich ihn dann fragte, wie ich mich denn seiner Meinung nach machte, als neue Mama Koala, grinste er und streckte seinen kleinen Daumen hoch. Ich kann es nicht genau sagen, aber er wirkte fast erleichtert.

1 Kommentar:

  1. Liebe Koalamama, ich bin durch puren zufall auf deine seite gestossen und bin total begeistert! ich kann sooo viele sachen nachvollziehen, die du schreibst und du sprichst mir echt aus der seele mit dem gefühl mit mehreren kleinen kindern. super, dass ich dich gefunden habe, ich bin schon gespannt was noch kommt, viel glück und stärke auf deinem weg!

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